Den Mental Load des Familienlebens erfassen, organisieren und teilen – mit einem Kalender, der für Betreuungspersonen gemacht ist.
Project Overview
Title | Motherload – A shared calendar app to lighten the mental load of caregiving |
My role | UX Designer, UI Designer, User Researcher (solo project) |
Team | Solo project (mentored) |
Timeline | @January 1, 2025 → May 1, 2025 |
Project Type | Personal |
Tools Used | Figma, FigJam, Miro, Lyssna, Dovetail, Google Forms |
Problemstellung
Betreuungspersonen jonglieren oft mit fragmentierten Zeitplänen über verschiedene Plattformen hinweg: digitale Kalender, Schulportale, WhatsApp-Gruppen und handschriftliche Notizen. Die meisten digitalen Tools sind auf individuelle Produktivität ausgelegt – nicht auf geteilte Fürsorgearbeit. Ziel dieses Projekts war es, ein Kalendersystem zu entwerfen, das den Mental Load reduziert, Aufgaben mit Terminen verknüpft und die gemeinsame Familienplanung unterstützt.
User Research
Um zu verstehen, wie Familien die Logistik des Alltags bewältigen, habe ich 11 Eltern (meist Mütter und primäre Betreuungspersonen) befragt und interviewt. Die Teilnehmenden wurden über Facebook und ADHS-Selbsthilfegruppen rekrutiert. Es handelte sich um englischsprachige Expats in Deutschland. Ich fragte sie nach den genutzten Tools, ihren größten Schwierigkeiten und wie sie Verantwortlichkeiten weitergeben.
Zentrale Erkenntnisse:
1. Alle erfinden das Rad neu.
Individuelle Hybridsysteme (Apps, Whiteboards, mentale Listen, Post-its) sind der Normalfall.
2. Zu viele Inputs.
Im Durchschnitt erhalten Eltern Familieninfos aus 12–15 verschiedenen Quellen.
3. Der Mental Load bleibt bei der „Standard“-Betreuungsperson hängen.
Delegation ist schwierig, weil nur eine Person den gesamten Kontext kennt.
4. Digitale Tools helfen nicht genug.
Informationen einzutragen fühlt sich nach zu viel Arbeit an; die vorhandenen Tools spiegeln die reale Komplexität nicht wider.
Primäre Persona: Co-Parent Clara
Eine zusammengesetzte Persona basierend auf 11 Interviews mit Hauptbetreuungspersonen – die meisten von ihnen jonglieren mit fragmentierten Systemen, fühlen sich wenig unterstützt und tragen den Großteil des Mental Load der Familie.
Lösung: Ein mehrschichtiger Ansatz zur Entlastung des Mental Load
Betreuungspersonen scheitern nicht daran, organisiert zu bleiben – die meisten Tools scheitern daran, die Realität des Familienlebens zu unterstützen. Die Antwort ist nicht mehr Aufwand, sondern bessere Unterstützung.
Motherload geht das Problem des Mental Load mit einer mehrschichtigen Designstrategie an und adressiert drei zentrale Schwachstellen im Betreuungsprozess:
- Erfassen verstreuter Inputs
- Organisieren von terminbezogenen Aufgaben
- Ermöglichen geteilter Verantwortung
Jedes Feature baut auf dem vorherigen auf und schafft so ein System, das Informationen aus dem Kopf der Betreuungsperson in ein Tool überführt, das die ganze Familie nutzen kann.
Erfassen verstreuter Inputs
Betreuungspersonen jonglieren ununterbrochen mit Informationen: WhatsApp-Nachrichten, Schulzettel, Kalendereinladungen, mündliche Erinnerungen von Kindern und mehr. Im Durchschnitt nannten die Interviewten 12–15 verschiedene Quellen für Familieninfos – vieles davon fand jedoch nie den Weg in ihre Tools.
Das Smart-Add-Feature holt Betreuungspersonen dort ab, wo sie sind: Sie können Fotos, Screenshots oder Sprachnotizen spontan hochladen. KI extrahiert die wichtigsten Details und verwandelt sie in umsetzbare Aufgaben oder Termine. So wird der erste Schritt der Care-Arbeit einfach, strukturiert und teilbar.
Organisieren von terminbezogenen Aufgaben
In vielen Kalendern ist ein Termin nur ein Zeitblock. Im Familienalltag sind die meisten Termine jedoch kleine Projekte mit vielen Teilen: Formulare ausfüllen, Snacks mitbringen oder Taschen packen.
Die Agenda-Ansicht wurde eingeführt, um diese aufgabenbezogenen Details sichtbar zu machen, ohne die Tagesansicht zu überladen. Anstatt Aufgaben in Terminen zu verstecken – oder im Kopf einer Person – zeigt die Agenda-Ansicht alle zugewiesenen und nicht zugewiesenen Verantwortlichkeiten, über Familienmitglieder und Zeiträume hinweg.
Geteilte Verantwortung ermöglichen
In vielen Familien trägt eine Betreuungsperson den Großteil des Mental Load – nicht, weil andere nicht helfen wollen, sondern weil die Systeme Verantwortung weder sichtbar noch teilbar machen.
Wenn Informationen im Kopf einer Person stecken bleiben, können sie ohne Erklärung nicht übernommen werden. Und alles erklären zu müssen (wie, wann, für wen …) wird selbst zu einer Art erschöpfender Arbeit.
Jede Aufgabe zeigt, für wen sie gedacht ist (oder ob sie noch unbeansprucht ist). So können andere einspringen, ohne nachfragen zu müssen, was zu tun ist, oder darauf angewiesen zu sein, dass jemand die Aufgabe manuell delegiert.
Damit ist die Grundlage gelegt für zukünftige Features wie Erinnerungen oder Annehmen-/Ablehnen-Flows. Doch schon in seiner jetzigen Form beginnt Motherload, den Kreislauf von stillschweigender Verantwortungsübernahme und unausgesprochenen Erwartungen zu durchbrechen.
Link zum Prototyp in Figma
Reflexion & Nächste Schritte
Nächste Schritte
Während der aktuelle Prototyp die Kernfunktionen sichtbar macht, müssen mehrere wichtige Flows noch weiter ausgearbeitet werden:
- Delegation & Aufgabenannahme: Aufgaben können bereits unzugewiesen bleiben, aber zukünftige Iterationen werden Delegations-Flows unterstützen – etwa Aufforderungen zum Annehmen einer Aufgabe, visuelle Indikatoren für unbeanspruchte Aufgaben und Bestätigungs-Feedback für die zuweisende Betreuungsperson.
- Verbesserungen am Aufgaben-Screen: Eine zentrale Listenansicht wird es Nutzer:innen ermöglichen, Aufgaben über Tage, Kategorien und Familienmitglieder hinweg zu sortieren und zu verfolgen – und erweitert damit die tagesfokussierte Agenda-Ansicht.
- Zukünftige Listentypen: Optionale Langzeitlisten wie Einkäufe, DIY-Projekte oder Essenspläne können zusätzlichen Mehrwert bieten, stehen jedoch nicht im Fokus des MVP.
Reflexion
Das Gestalten rund um den Mental Load hat meine Sicht auf UX grundlegend verändert. Es geht nicht nur um bessere Organisation, sondern darum, unsichtbare Arbeit sichtbar zu machen, damit sie geteilt werden kann. Auch wenn sich dieser Case auf Familien-Care-Arbeit konzentriert hat, gelten die gleichen Prinzipien für Rollen, in denen Verantwortung spürbar, aber selten abgebildet ist: Assistent:innen, Lehrer:innen, Pflegekräfte oder alle, die ein Team im Hintergrund zusammenhalten. Diese Arbeit hat mich darüber nachdenken lassen, wie oft Systeme genau die Menschen im Stich lassen, die am meisten leisten – und wie Design damit anfangen kann, schlicht zu sagen: Wir sehen euch.